21.04.2009 - Fundraising-Journal: Blog zu Fundraising-Themen

12 November
2005

Bettelbrief-Texterin von Beruf

Fundraising-Briefe texten

Heute morgen fand ich in meiner Inbox wieder einmal ein Spam-Mail, das mir  "creative copy writing in 24 hours"  verspricht. ... (OK, ich gebs zu, könnte auch sein, dass es ein Newsletter ist, den ich einmal in einem Anfall von geistiger Umnachtung abonniert habe ...). So bin ich in Versuchung, meinen Texterfähigkeiten künstlich auf die Sprünge zu helfen: schliesslich kommt der nächste Bettelbrief bestimmt, und was habe ich beim letzten Mailing wieder GELITTEN!

Dabei kanns an den Hilfsmitteln und guten Ratschlägen nicht liegen. AIDA (Attention Interest Desire), KISS (Keep it simple,  stupid), kleine Kopfnicker erzeugen, kurze Sätze, viele Verben, Sprachbilder und Sprichwörter - und schon ist der Brief spendentauglich! Leider kann mir niemand so recht sagen, was ich zu sagen habe. Oder schon: Die Briefings sind jeweils vollgestopft mit wichtigen Informationen und Erklärungen. Weiss der Kuckuck, warum daraus immer kein spannender Fundraising-Brief werden will. Eine Geschichte muss her: Ein packender Narrativ mit Jöh-Effekt!


Vielleicht liegt es ja daran, dass ich bezüglich Informationskonsum selber eine lahme Ente bin?! Ich kann leicht nachempfinden, wie man angesichts der Newsflut schaudert und alles nur noch kursorisch liest - wenn überhaupt. Immer auf der Suche nach einer hilfreichen Fettschrift, einer Headline, einem Kick, die schreien: "Hier. Das musst Du wissen - vergiss den Rest!"


Leider waren die erfolgreichsten Briefe, die mir so untergekommen sind und die ich bewunderte, nicht immer gespickt mit einschlägigen Direktmarketing-Text-Auszeichnungen, was meinen Glauben an die Unterstreichung etwas erschüttert hat. Also zurück in den Stollen: Was schreiben?


Die Wahrheit.


"Liebe Frau Elmer, ich sitze hier und schreibe Ihnen, weil wir Geld brauchen. ... Es würde mich freuen, wenn Sie mit 50.- Franken dazu beitragen könnten, dass ...". Immer wenn ich verzweifelt genug bin, es mit der Wahrheit zu versuchen, scheint es zu klappen. Dann weiss ich plötzlich, was es zu sagen gibt. "Bitte helfen Sie uns, wenn Sie können".


Natürlich unterstützt mich die "creative Mindmap" dabei, treffende Ausdrücke und lebendige Bilder zu finden. Und sicher wird der Text besser, wenn ich zum Schluss die Bandwurmsätze in ihre Schranken weise. Aber gut werden die Briefe erst dann, wenn es mir gelingt, zu schreiben, was Sache ist. "Ohne Sie stehen wir auf verlorenem Posten."


mehr Links:
Fundraising-Briefe (E)

Posted by sgrosjean at 09:58 | Comments (0) | Trackbacks (0)
25 March
2006

Seelenlose Bettelbriefe

Warum die Adresse 80% des Erfolgs ausmacht - oder eben nicht

Für einen Workshop zum Thema "Spendenbriefe" habe ich neulich mal nachgerechnet was die folgende Direktmarketing-Daumenregel eigentlich bedeutet: "80% des Erfolgs sind die Adressen, 80% des Rests macht das Couvert" ... Das ergibt dann noch mickrige 4% die Angebot, Text und Gestaltung sich teilen! Ich habe für meine Grafik noch lieb Text und Bild gleichschwer eingesetzt, obwohl die Bilder wahrscheinlich erfolgreicher kommunizieren als das gedruckte Wort. Texterinnen und Grafiker könnten schon ein bisschen die Ohren hängen lassen angesichts dieser Verhältnisse! Man kommt in Versuchung, irgendwie mechanisch den Mailing-Plan durchzuackern und sich auf Fremdlisten-Tests zu konzentrieren. Und wirklich - manchen Aufrufen, die mir ins Haus flattern, sieht man es regelrecht an, dass ihr Ursprung nicht ein Bedürfnis ist, mit mir Kontakt aufzunehmen, sondern ein Budgetplan, in dem steht, dass meine Adresse zum Zeitpunkt x für ein Mailing eingesetzt werden soll.

Aber so kann es ja auch nicht sein - und wenn man sich die Daumenregel von Nahem betrachtet, ist auch klar warum: 80% des Erfolgs sind eben NICHT die Adressen pe se, sondern die Beziehungen, die dahinter stecken. Das Couvert an sich ist wurst, wichtiger ist die Erwartung, die es weckt. Und da sind Listenwahl und Marketing-Tricks möglicherweise nicht die Hauptfaktoren: Glaubwürdigkeit und Bekanntheit erhalten Auftrieb. Ob die Briefe der betreffenden Organiation mich bis anhin zu Tode gelangweilt oder im Gegenteil angeregt, erheitert, betroffen und bestürzt haben, spielt plötzlich wieder eine Rolle. Dass die Organisation mir ein klares Bild vom Problem und meiner Rolle bei der Lösung vemittelt, rückt wieder ins Zentrum. Ich sage jetzt nicht: "Werft alle Prioritätensetzung über Bord und konzentriert Euch auf den Text und die Layouts". Aber wer im Namen der 80/20-Regel seelenlose Bettelbriefe in der Gegend herumschickt, tut sich und den potentiellen SpenderInnen unrecht.

Nützliche Infos zu Mailings:
Mailings im Fundraising (Vögele Institut 2003, DE)
Über die Wahrnehmung von Bildern (HBI Worldcom 2003, DE)
Direct-Marketing-Prozess (PostMail, die Post, CH)


Posted by sgrosjean at 11:43 | Comments (0) | Trackbacks (0)
[1]